Schlüsselelemente leistungsstarker Pfandsysteme:

Nr. 2 - Mindestpfandwert

In dieser Artikelserie „System im Fokus“ bietet TOMRA einen tiefen Einblick in die bewährte Praktiken leistungsstarker Pfandsysteme.

Symbol für Kreislaufwirtschaft

Die Verschmutzung der Ozeane durch Kunststoff, die Kosten für das Abfallmanagement und vorgeschriebene Sammelziele veranlassen immer mehr Regierungen, nachhaltiges Ressourcenmanagement zu einer Priorität zu machen. Eine Politik, die aktiv diskutiert wird, ist das Konzept, Abfällen einen Wert zu geben, um einen Anreiz für die Öffentlichkeit zu schaffen, sie zum Recycling zu sammeln. Das ist ein besonders beliebter Ansatz für die Gegenstände, die am häufigsten weggeworfen werden und in Ozeanen gefunden werden, wie etwa Getränkeverpackungen. Pfandsysteme (oder „Pfandvorschriften“) erheben zusätzlich zum Preis des Getränks ein Pfand auf die Verpackung, das zurückgezahlt wird, wenn der Verbraucher sie zum Recycling zurückgibt. Viele Staaten oder Länder haben sich verpflichtet, bestehende Pfandsysteme zu aktualisieren oder neue Systeme zu entwickeln. In dieser fortlaufenden Artikelserie und ihrem Whitepaper, „Rewarding Recycling: Learnings From The World’s Highest-Performing Deposit Return System" (Erkenntnisse aus dem weltweit leistungsstärksten Pfandsystem) , erläutert TOMRA bewährte Praktiken, die die Marktführer bei Pfandsystemen von den Zauderern unterscheiden.


Schlüsselelement Nr. 2 Mindestpfandwert

Ein finanzieller Anreiz, der Verbraucher dazu motivieren soll, Verpackungen als Ressource und nicht als Müll zu behandeln, unterscheidet Pfandsysteme von anderen Sammelprogrammen. Jahrzehntelange Rücknahmedaten zeigen, dass sinnvolle Pfandbeträge effektiv dazu führen, dass mehr Verpackungen in den Recyclingstrom gelangen, was wiederum dazu beiträgt, dass Getränkeverpackungen nicht im Abfallstrom oder als Müll in den Ozeanen und der Umwelt landen.

Warum ist der Pfandwert für ein leistungsstarkes Pfandsystem wichtig? Für das Sammeln der allermeisten pfandfähigen Verpackungen spielt der Pfandwert selbst eine entscheidende Rolle. Wie in der nachstehenden Grafik hervorgehoben, zeigen die Rückgabedaten in der Regel, dass je höher der Pfandwert, desto effizienter die Sammlung ist. Dies zeigt sich insbesondere in Deutschland, Litauen und den Niederlanden.

Die hier dargestellten Daten wurden von Eunomia Research & Consulting in Bezug auf die Kaufkraft in jeder Region bereinigt, um einen relativen Vergleich des Wertes der einzelnen Pfandstufen zu ermöglichen. Die Daten deuten darauf hin, dass es schwierig ist, eine Rückgabequote von 80% oder mehr mit einem Pfandwert von 0,05 € oder weniger (bereinigt um die Kaufkraftparität) zu erreichen. Dies kann auf den relativ geringen finanziellen Anreiz zur Teilnahme zurückzuführen sein. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Rückgabequote in Connecticut, wo der Pfandwert von 0,05 US-Dollar (0,04 €) eine Rückgabequote von nur 50% ergibt, was die weltweit niedrigste Rückgabequote ist.

Bei der Ermittlung der Pfandwerte berücksichtigen leistungsstarke Systeme die Kaufkraft des lokalen Marktes und seiner Verbraucher und berücksichtigen dabei die relative Wirtschaftskraft und das Wohlstandsgefälle. Laut verfügbarer Daten zu weltweiten Rückgabequoten scheint es der effektivste Ansatz zu sein, den Pfandwert hoch genug anzusetzen, um die Verbraucher zu motivieren, 90 % oder mehr ihrer leeren Verpackungen zurückzugeben, und gleichzeitig niedrig genug, um Betrug zu verhindern. 

Leistungskennzahlen deuten darauf hin, dass ein Pfand von mindestens 0,10 € (kaufkraftbereinigt) oder 0,10 US-Dollar wirksam ist. Die optimale Pfandhöhe hängt jedoch höchstwahrscheinlich von der Sammelstruktur des Systems und den Sammelzielen der Regierung ab.


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Variabler oder pauschaler Pfandwert

In einigen Märkten wurde diskutiert, ob im Gegensatz zu einem variablen Pfandwert ein einzelner oder ein „pauschaler“ Pfandwert angestrebt werden sollte. Ein variabler Pfandwert bedeutet mehr als einen Pfandwert, abhängig von der Größe der Getränkeverpackung, der Materialart oder sogar der Getränkeart. Ein pauschaler Pfandwert ist für Verbraucher und andere Parteien am einfachsten zu verstehen, da er einen harmonisierten Ansatz schafft und für Klarheit im System sorgt. Um sicherzustellen, dass der Anreiz zur Rückgabe sinnvoll bleibt, können sich die politischen Entscheidungsträger dafür entscheiden, höhere Pfandwerte für größere und teurere Verpackungen festzulegen. Letztendlich ist es das Ziel, die größtmögliche Anzahl an Verpackungen zu erfassen und zu recyceln.

Die Politik kann auch einen oder mehrere Mindestpfandwerte festlegen und den Getränkeherstellern gleichzeitig die Möglichkeit bieten, einen höheren Pfandwert zu nutzen. Effektive Pfandsysteme ermöglichen es den Herstellern, den täglichen Betrieb des Systems, einschließlich des Pfandwerts, zu verwalten. Hersteller könnten mit Zustimmung der politischen Entscheidungsträger beschließen, einen höheren Pfandwert festzulegen, um einen weiteren Anreiz für die Rückgabe von Verpackungen zu schaffen und ihre eigenen Leistungsziele zu erreichen oder um Strafen für eine unzureichende Leistung zu vermeiden.

Obwohl ein sinnvoller Pfandwert ein wesentlicher Bestandteil eines leistungsstarken Pfandsystems ist, hängen hohe Rückgabequoten auch von einem bequemen Netzwerk von Rücknahmestellen ab, um sicherzustellen, dass das Pfand nicht zu einer Steuer wird. Weitere Informationen finden Sie im Kapitel „Bequemes Pfandsystem für Verbraucher“ in unserem Whitepaper Rewarding Recycling (Seiten 28–35).


System im Fokus

Deutschland

Auf globaler Ebene betrachtet besteht ein klarer Zusammenhang zwischen dem Pfandwert und den Rückgabequoten eines Pfandsystems. Nehmen Sie Deutschland als Beispiel für ein führendes und leistungsstarkes Pfandsystem. In Deutschland gibt es Pfandsysteme sowohl für wiederbefüllbare (Mehrweg-) als auch für nicht wiederbefüllbare (Einweg-)Verpackungen und zunächst wurde von Getränkeherstellern und -händlern verlangt, mindestens 72% ihrer Getränke in Mehrwegverpackungen zu verkaufen (sogenannte „Mehrwegquote“). 

Da die Mehrwegquote jedoch nicht erreicht wurde, wurde ein Pfandsystem für Einwegverpackungen eingeführt. Um sicherzustellen, dass Einwegverpackungen die Mehrwegverpackungen nicht überholen, legten die politischen Entscheidungsträger einen hohen Pfandwert fest, erlaubten den Herstellern jedoch, bei Bedarf einen höheren Wert festzulegen.3

Da Deutschland derzeit mit 98% die weltweit höchste Rückgabequote von Pfandgetränkeverpackungen aufweist, sahen die Hersteller keine Notwendigkeit, den Pfandwert von derzeit 0,25 € (0,30 US-Dollar) zu erhöhen. Produzenten auf diese Weise zu ermächtigen ermöglicht Flexibilität bei der Verwaltung des Programms, um seine Ziele zu erreichen.

Connecticut, USA

Der Bundesstaat Connecticut hingegen weist einen der niedrigsten Pfandwerte und die weltweit niedrigste Rückgabequote auf. Der Pfandwert des Staates von 0,05 US-Dollar (0,04 Euro) wurde seit der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes im Jahr 1978 nicht aktualisiert.4 Dies hat zu einer 50%igen Rückgabequote geführt. 

In einer Umfrage unter Einwohnern von Connecticut gaben 27% an, dass das Pfand zu niedrig sei, um eine Rückgabe zu rechtfertigen. Dies im Vergleich zu nur 3 % in Michigan, wo das Pfand sinnvollere 0,10,5 US-Dollar beträgt.

Hätte der Pfandwert in Connecticut mit der Inflation Schritt gehalten, würde er heute 0,19 US-Dollar (0,17 Euro) betragen.6 Da der Pfandwert vom Gesetzgeber gesetzlich festgelegt wird und der Gesetzgeber eine Änderung vornehmen muss, gibt es keinen Mechanismus, um dieses Schlüsselelement bei sinkender Leistung zukunftssicher zu machen.

Angesichts dieser Herausforderungen hat Connecticut kürzlich ein Gesetz zur Überarbeitung des Programms verabschiedet und eine Reihe von Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen. Dazu gehörte die Anpassung des Pfandwerts an die leistungsstärksten Pfandprogramme des Landes und seine Anhebung von 5 auf 10 Cent.

Mädchen, die Flaschen stapeln

Auf dem Weg zu höheren Rückgabequoten 

Da die Welt bestrebt ist, das Recycling und die Wieder-verwertung zwecks Abfallbekämpfung anzukurbeln, zeigen die Erkenntnisse, dass finanzielle Anreize wie die Leergutrücknahme eine wichtige Rolle spielen. Länder, die bewährte Verfahren umsetzen und hohe Rückgabequoten erzielen möchten, können jedoch wichtige Lehren aus bestehenden Systemen ziehen. Ein ganzheitlicher Ansatz, der den/die optimale(n) Pfandwert(e) im Hinblick auf die lokale Kaufkraft und die Zweckmäßigkeit der Pfandinfrastruktur berücksichtigt, ist der Schlüssel zur Schaffung eines effektiven Systems.





1 Berechnet auf der Grundlage von Zahlen, die in „A DRS for Turkey: Final Report for Reloop & ISBAK“, Eunomia, zusammengestellt wurden. 2019. Um eine verzerrte Darstellung der Pfandwertentwicklung zu vermeiden, werden in der Abbildung nur Rückgabequoten dargestellt, die Verpackungen mit einem bestimmten Pfandwert zugeordnet sind. Regionen mit mehreren Pfandwerten, aber nur einer gemeldeten Rückgabequote, wurden nicht berücksichtigt. South Australia: „Environmental info“, South Australia EPA. Abgerufen am 20. Januar 2021. Northern Territory removed due to unreliable data.
2 „Global Deposit Book 2020“, Reloop. 2020.
3 „Lessons Learned: The Reuse Quota in Germany“, Deutsche Umwelthilfe (DUH). 2019.
4 „Connecticut“, BottleBill.org.
5 The Pert Group (2013) „Understanding Redemption Behaviors.“ Juli 2013 Basierend auf einer Umfrage unter Einlösern und Nicht-Einlösern in den USA.
6 Bureau of Labor Statistics Inflation Calculator.